
Heute schreibe ich euch mal einen ganz andere Art von Blog.
Mal nichts über Weiterentwicklung in der Karriere, Work Life Balance, Social Media für Freiberufler oder über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Heute möchte ich euch eine kleine persönliche Episode von mir teilen.
Warum? Weil ich total Lust darauf habe.
Ich habe in den letzten Wochen und Monaten so viele spannende Menschen auf Twitter, Instagram, in Meetings und auf Kongressen kennengelernt.
Und hinter jedem dieser spannenden Menschen stehen auch spannende Geschichten.
Generell bin ich überrascht wie offen all diese Menschen ihren persönliche Lebensweg teilen. Dabei gab es viele inspirierende Geschichten, die mich mal berührt, mal bewegt, und sehr häufig motiviert haben.
Stellvertretend sei hier Jan Böttner und Christian Tratter von Instagram und Katharina Nolden und Katja Diehl auf Twitter erwähnt. Stellvertretend für viele andere spannenden Stories.
Doch nun zu mir und dieser Überschrift. Klingt lahm, oder? Tatsächlich ist mir gerade noch nichts Besseres eingefallen. Ich fange mal an. Vielleicht fällt mir noch eine spannendere Überschrift ein während ich Schreibe.
Im Jahr 2013 hatte ich ein Leben, in welchem ich absolut zufrieden hätte sein können.
Ich war Führungskraft in einem großen Konzern mit einem guten Gehalt, hatte eine tolle Partnerin (meine große Liebe, meine jetzige Frau), und um mein Leben vollkommen werden zu lassen, wurde meine kleine Tochter geboren.
Bereits vor der Geburt meiner Tochter Isabella im September 2013 zeichnete sich bei mir und meiner Frau eine erste Entwicklung ab. Wir waren beide geborene Stadtkinder. Geboren und aufgewachsen im Ruhrpott. Meine Frau in Oberhausen (230.000 Einwohner), ich in Mülheim (170.000 Einwohner)
Beides mittelgroße Städte mitten im Ruhrgebiet.
Doch schon seit 2012, also dem Zeitpunkt seitdem wir uns gedanklich mit Nachwuchs auseinandersetzen, zog es uns in jeder freien Minute mehr und mehr ins Grüne.
Zunächst waren da die üblichen Anlaufpunkte im Ruhrgebiet. Der Wasserbahnhof Mülheim mit seiner schönen Ruhr. Die Gruga in Essen, Zeche Zollverein, der Baldeneysee, die Sechs Seen Platte usw.
Doch immer wieder kamen wir nur mäßig entspannt nach Hause. Nach einem sehr ausgefüllten Tag ließ uns dieser kurze Abstecher ins Grüne nur wenig entspannen.
Unser Akku war gefühlt immer „halb leer“
Um euch zu erklären, warum das Entspannen so schwierig für uns war. Wir lebten nicht nur simpel in einer größeren Stadt. Im Ruhrgebiet sind die Städte über die Jahre zusammengewachsen. Fremde sind bei Besuchen immer wieder erstaunt, dass im Ruhrpott die Städte nahtlos ineinander greifen, ohne eine grüne Zone dazwischen. Sie können optisch nicht das Anfang und das Ende einer Stadt erkennen.
In Wirklichkeit hatte unsere Heimat keine 180 oder 220 Tausend Einwohner, sondern eher über 5 Mio. Bewohnter als Berlin (3,5 Mio.), Frankfurt, Hamburg oder München.
Dazu ist die Umgebung sehr grau in grau, viele alte „Ruhrpott“ Wohnbestände und viel alte Industriekultur. Sicherlich gibt es auch im Ruhrpott grüne Bereiche, aber sobald man aus diesen zurückkehrt, hat einen die Menschenmenge und der Lärm wieder.
Ja der Lärm war auch so ein Thema. Nach einem langen Tag kamen wir eigentlich nicht mehr richtig zur Ruhe. Und ein Grund neben den wenigen grünen Oasen und den Menschenmengen war die ständige Geräuschkulisse.
Im Ruhrpott hat man fast überall ein gewisses „Grundrauschen“ an Lärm im Hintergrund. Mal mehr, mal weniger, aber immer präsent.
Als nun unsere kleine Isabella geboren wurde, hatten wir eine Idee:
Wir ziehen einfach weg!
Dahin, wo es ruhiger ist, weniger Busy, weniger gestresst, weniger geräuschvoll.
Und das machen wir alles nur für unser Kind. Damit es in einem ruhigen, grünen, entspannten Umfeld aufwachsen kann.
Versteht mich bitte nicht falsch, das dachten wir damals wirklich. Wir selbst merkten den Mangel in uns, aber der Wunsch auf Veränderung entstand erst durch unsere Tochter. Sie öffnete den Gedanken etwas zu verändern.
Gesagt, getan.
Voller Energie begaben wir uns auf die Suche. Schnell hatten wir einige tolle Objekte herausgesucht und Besichtigungstermine vereinbart. Doch die Ernüchterung folgte sogleich.
Nach den ersten 12 Besichtigungen waren wir ziemlich down. Alles was nah war, war keine Lösung. Und wir konnten nicht mal sagen, warum. Es fühlte sich einfach nicht richtig an.
Wir saßen an einem Sonntag morgen zusammen, es warteten in der nächsten Woche 3 weitere Besichtigungen. Ich hatte schon keinen Bock mehr.
Da spielte ich auf der Immobilienseite im Internet mit der Kilometerentfernung von unserem jetzigen Wohnort. Statt 30 gab ich einfach 100 KM ein. Aus purer Langeweile.
Ich staunte. Es kamen ganz andere Objekte heraus. Mit größeren Gärten, in Orten, die ich nicht kannte. Ein erstes Googlen ergab viele kleine Orte mit wenigen Einwohnern.
Schnell rief ich meine Frau. Wir suchten uns 3 Objekte heraus, wo eine Adresse im Internet stand. Wir machten uns und die Kleine fertig und los ging es. Ein kleiner Sonntagsausflug an den unteren Niederrhein.
Das erste Haus war in Sonsbeck. Ein kleines Dorf mit 9000 Einwohner. Ich fühlte mich direkt wohl. Diese kleinen ruhigen Straßen, nur vereinzelt waren Spaziergänger und Fahrradfahrer zu sehen. Es war alles so ruhig, ich hörte Vögel statt Autos und Menschen. Und ich nahm noch etwas anders wahr: Ruhe!
Das Objekt lag allerdings direkt auf der Straße, durch die alle Einwohner durch mussten. Und es sprach uns nicht wirklich an.
Weiter ging es nach Hamminkeln. Sogar nur 6700 Einwohner. Das war schon sehr klein, oder? Sollten wir da überhaupt hinfahren? Die hatten vielleicht nicht Mal einen Supermarkt (es gibt derer 3), oder eine Schule (Grund und Gesamtschule sind direkt im Dorf) ….
Und dann passierte es
Wir bogen in die betreffende Straße ein und sahen „unser“ Haus.
In einem U, hinten in der Ecke liegend.
Wow!
Das war ein tolles Haus. Das wollten wir, doch war auch die Gegend schön?
Wir schauten uns um und sahen direkt zwei Straßen entfernt viele Felder, Wiesen und keinerlei Bebauung mehr. Mein Google Maps sagte mir, 7 KM bis zum nächsten Dorf.
Wir gingen in die „Innenstadt“ und setzen uns in eine Eisdiele direkt an dem kleinen schnuckeligen Marktplatz.
Während ich einen Cappuccino trank schaute ich meine Frau an. Wir mussten nicht reden. Wir beide wussten was der jeweilig andere ausstrahlte. Hier wollen wir leben.
Dieser schnuckelige Marktplatz mit seiner (übrigens phantastischen) Eisdiele, diese viele kleinen Gassen drumherum (es sind gar nicht so viele, wie wir damals dachten), die viele entspannten Leute, zu Fuß mit Familie und / oder Hund, joggend , auf dem Rad fahrend. Und alle waren so……entspannt. Viele lächelten uns an, niemand war gestresst.
Meine Frau schaute mich an und sagte nur eins:
Wir sind angekommen
Genau das war mein Gefühl.
Wie konnte das sein? Ich hatte keine Idee. Aber es fühlte sich alles so richtig an. Also Kopf aus und einfach mal auf den Bauch hören. Oder war es eher das Herz?
Nun galt es noch das Haus zu kaufen. Aber wenn sich meine Frau etwas in den Kopf gesetzt hat, dann schafft Sie es auch (beneidenswert)
Und so zogen wir im August 2014 von der 5 Mio. Metropole Ruhrpott, also für uns aus Mülheim (170.000 Einwohner) in das verträumte Hamminkeln mit 6700 Einwohnern. Dafür mit vielen Hunden, Pferden, Schafen, Hühnern.
4 Jahre später kann ich euch eins sagen: Es war eine tolle Entscheidung.
In „unserem“ Dorf scheint manchmal die Zeit stehen geblieben zu sein. Es gibt noch den kleinen Familienbäcker vor Ort. Im lokalen Supermarkt trifft man jedes Mal Freunde oder Bekannte und tauscht sich an wahlweise an der Käse-, oder Wursttheke über die neuesten Ereignisse „im Dorf“ aus.
Alle Wege werden dabei möglichst mit dem Fahrrad erledigt, nur das mit den Wasserkästen klappt mit dem Auto irgendwie besser.
Gerne laufen wir aber auch in „unser Dorf“ hinein und machen alles zu Fuß.
Weil es so entspannt ist, weil kaum Autos auf dem Weg dorthin fahren, weil man viele bekannte Gesichter trifft und weil man so toll die Vögel zwitschern hören kann.
Seit unserem Umzug fahre ich wieder sehr aktiv Rad. Letztes Jahr waren es immerhin 4000 KM. Gerne entlang der vielen Felder und Wiesen, entlang der Issel und manchmal auch rüber zu unseren holländischen Nachbarn.
Im „Pott“ hatte ich dazu keine Motivation mehr. Zu voll waren all die Radwege, wenn Sie den überhaupt vorhanden waren. Zu vollgestopft die Straßen, mit leider zu vielen rücksichtslosen Autofahrern. Der Radfahrer ist im Pott nun mal eine Randerscheinung.
Hier am unteren Niederrhein ist er der Standard. Und das merkt man jeden Tag. Ich bin in der ganzen Zeit noch nicht einmal an gehupt, oder geschnitten worden. Im Pott gab es kaum eine Radtour, ohne dass ich angepöbelt wurde. Hier macht sich vielleicht auch die Nähe zu unseren niederländischen Nachbarn (10 KM) bemerkbar.
Was lehrte uns dieser Umzug und die Erlebnisse danach?
Das wir Menschen immer auf unser Level an Achtsamkeit achten sollten. Meine Frau und ich hatten damals oft genug das Gefühl etwas verändern zu müssen. Doch wir wussten nicht genau was. In der Nachbetrachtung nahmen wir uns aber auch nicht die Zeit, uns nicht genug aus unserem Alltag heraus, um „quer“ denken zu können. Nicht genug heraus, um in uns wirklich hineinhören zu können.
Den nötigen Impuls bekamen wir von unserer kleinen Isabella. Denn in Wirklichkeit sind wir natürlich nicht nur für Sie und ihre grüne, entspannte Zukunft umgezogen. Nein, wir haben dies auch für uns getan. Das wissen wir nun heute.
Ob ich den Pott vermisse? Da kann ich aus tiefem Herzen sagen: Nein!
Ich bin immer mal wieder dort, um Verwandte und Freunde zu besuchen. Doch ich habe nach einigen Stunden das Gefühl, dass ich mich auf mein zu Hause freue. Wenn ich dann nach Hause fahre freue ich mich 10 Kilometer vor meiner Ausfahrt über die ersten Schafe auf den Feldern an der Autobahn wie ein kleines Kind.
Versteht mich nicht falsch, ich arbeite beruflich auch mal in Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt, oder München. Die Tage dort sind angenehm. Aber zu Hause ist für mich „mein Dorf“. Ist es nicht seltsam, wenn man nach so kurzer Zeit so empfindet? Oder ist man als Mensch dann einfach angekommen?
Und meine alte Heimat fühlt sich irgendwie fremd an. Noch lauter, schneller und voller. Die Menschen noch hektischer und unfreundlicher.
Neulich war ich mit Isabella bei ihrer Oma. Sie lebt weiter in Oberhausen. Wir haben einen „Oma Tag“ gemacht, und mit Oma einfach Zeit verbracht. Dabei musste Oma auch kurz ein paar Einkäufe erledigen. Danach waren wir noch nett Essen.
Auf dem Weg nach Hause habe ich meine Tochter gefragt, wie Sie es bei Oma fand.
Ihre Antwort: Nicht schön Papa. Oma ist toll. Aber in Omas Stadt ist es laut und es sind da so viele Menschen und Autos. Papa, ich freue mich jetzt nach Hause zu kommen. Schau mal, da stehen Schafe…
Kindermund……
Ich hoffe, euch haben die persönlichen Zeilen von mir zugesagt.
Bleibt Achtsam und schaut was gut für euch ist.
Euer Sascha
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Yvonne Strasser (Mittwoch, 15 Mai 2019 16:15)
Ich kann euch sehr gut verstehen warum Ihr Mülheim bzw. Oberhausen verlassen habt.Ich selber lebe schon seit 2001 nicht mehr in Mülheim. Seit 2013 wohne ich in Gevelsberg mit 31.080 Einwohner. Hier hat man auch viele schöne Ecken leider ist es hier in den letzten Jahren auch etwas hektischer geworden aber immer noch besser als eine groß Stadt. ��
Janine (Montag, 15 Juni 2020 10:58)
Wow eine sehr beeindruckende Geschichte. Wir sind momentan auch in der Überlegen ein Haus auf dem Land zu kaufen und die Geschichte bestärkt mich, dass wir genau das Richtige machen.